Stadt Wustrow (Wendland)

Unter dieser Überschrift wird etwas über den Ort, dessen Gründung und den Einsatz der Dampfmaschine in der mechanischen Leinenweberei Friedr. & E. Wentz in Wustrow im hannoverschen Wendland – mit Ausführungen zu den Familiengeschichten Wentz, Lüring und Gebrüder Krome – dargelegt.

Die Stadt Wustrow (Wendland) wurde etwa im Jahre 1217 als Burg gegründet und diente damals zur Sicherung des Schiffsverkehrs zwischen Salzwedel und der Elbe. Sie liegt im Süden des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Sie hat heute ca. 2900 Einwohner und besteht aus zehn Ortsteilen/ Dörfern und der Stadt selbst [mehr … >>].

Wustrow (Regierungsbezirk Lüneburg) im Jahre 1654 - Quelle: Wendland-Archiv.de [hier ..>>]

In den 1870er Jahren haben die Brüder Friedrich und Ernst Wentz in Wustrow eine mechanisch betriebene Leinenweberei bauen lassen, die 1874 mit 30 in England hergestellten eisernen Webstühlen in Betrieb genommen wurde. Mit der Einführung der mechanischen Weberei flaute die Handweberei dann ab und die Legge wurde aufgehoben. 1964 wurde die Weberei in Wustrow eingestellt. Seitdem wird in der Fabrikanlage für die Continental Gummiwerke AG Hannover gearbeitet.

Foto Museum Wustrow 1984 – Lange Straße 9 – Quelle:  Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege/ Wendland-Archiv [hier .. >>]

In dem von dem Fabrikanten Wilhelm Lüring 1886 erbauten Wohnhaus in der Langen Straße Nr. 9 in Wustrow im hannoverschen Wendland befindet sich seit 1981/1984 das Museum Wustrow, ein Haus mit zeitgeschichtlichem Sammlungs- und Ausstellungsschwerpunkten.

Den interessierten Leserinnen und Lesern, die sich vertieft über die Geschichten zu Kali und Leinen in Wustrow informieren möchten, sei das Buch „Kali und Leinen – Industrialisierungsansätze im Raum Wustrow 1874 bis 1928“ mit beigefügter Broschüre empfohlen; herausgegeben von Ulrich Brohm und Elke Meyer-Hoos,  MUSEUM WUSTROW.

In dem Buch werden von Dr. Ulrich Brohm auf 80 Seiten (Seite 101ff) die Voraussetzungen, Geschichte und Auswirkungen einer Industrieansiedlung im ländlichen Raum am Beispiel der mechanischen Leinenweberei Friedr. & E. Wentz in Wustrow sehr ausführlich und anschaulich dargestellt.

Foto – Abb. 24 aus dem o.g. Buch: Blick in das Maschinenhaus der Weberei. Im Vordergrund die 1924 überholte Dampfmaschine, um 1925

Diesbezüglich berichtet er auch über die von der Weberei angeschaffte Dampfmaschine Nr. 549 von 1895 der Firma K. & Th. Möller aus Brackwede in Westfalen. Unter der Überschrift „Quellen- und Literaturverzeichnis“ (siehe Seite 293-297) werden in dem Buch die benutzten Quellen (Archivalien und Literatur) aufgeführt.

Zur Veranschaulichung seiner Forschungsarbeit hat Dr. Brohm den Leserinnen und Lesern 56 Abbildungen (Abb.) zur Verfügung gestellt. Nachfolgend werden die Abbildungsnummern aus dem Buch verwendet. Des Weiteren wird der Text seiner Forschungsarbeit anschließend zum größten Teil zusammenfassend frei zitiert, um den Leserinnen und Lesern etwas zur Geschichte der Dampfmaschine im Kontext der Familiengeschichten der damaligen Besitzer des heutigen Industriedenkmals wie folgt näher zu bringen.

Anmerkung zur Veröffentlichung und Unterstützung: Der Verein Wendlanddampf e. V. bedankt sich beim Museumsverein Wustrow e. V., vertreten durch den 1. Vorsitzenden Heiko Steffens und den Schatzmeister Joachim Nieß, für die Abdruckgenehmigung der Textpassagen und Abbildungen aus dem Buch Kali und Leinen sowie bei dem stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Ulrich Brohm für die Durchsicht des Textes.

Der Ausgangspunkt zur Ausstellung der Dampfmaschine von 1895 als kulturhistorisches Industriedenkmal war die Entscheidung der Leinenhändler Friedrich (1821 – 1901) und Ernst (1824 – 1899) Wentz im 19. Jahrhundert, die Maschine für die mechanische Leinenweberei in der Stadt Wustrow im hannoverschen Wendland anzuschaffen, nicht weit vom heutigen Standort in der Stadt Lüchow (Wendland). Warum die denkmalgeschützte Dampfmaschine gerade dort und nicht in der Stadt Wustrow (Wendland) ihren Platz gefunden hat, das wird an anderer Stelle noch näher erläutert. [mehr … >>]

Abb. 6 Friedrich Wentz sen. (1821-1901) 1820

Vor der Anschaffung der Dampfmaschine 1895 hatten die Gebrüder Wentz direkt nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 schon länger das Interesse daran, eine mechanische Leinenweberei im ländlichen Raum in der Stadt Wustrow zu errichten, weil die Handarbeit zur damaligen Zeit nicht mehr leistungs- und konkurrenzfähig genug war. Mit der Gründung der Fabrik in Wustrow begann ein Kapitel ländlicher Industriegeschichte, dessen Bedeutung weit über das Wendland hinausging. Bis zum Aufbau der Kaliindustrie in Wustrow war die Leinenweberei nicht nur größter Arbeitgeber am Ort, sondern lange Zeit auch einer der wenigen Industriebetriebe im heutigen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Die Fabrik war das einzige Unternehmen ihrer Art im damaligen Regierungsbezirk Lüneburg. Im ländlich agrarisch geprägten Raum war sie mit Abstand das größte Unternehmen im Wendland, das den Betrieb 1874 aufnahm.

Abb. 16 Wilhelm Lüring, um 1900

Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte der „webtechnische vorgebildete“ Schwiegersohn von Ernst Wentz, Wilhelm Lüring, den Aufbau der mechanischen Fertigung maßgeblich beeinflusst. Er hatte sich mit Julie, der ältesten Tochter von Ernst Wentz, 1872 verlobt und sie 1873 geheiratet. Im gleichen Jahr wurde er Teilhaber der Firma.

Zu dieser Zeit hatte sich die verkehrstechnische Anbindung der Stadt Wustrow wesentlich verbessert, da die Eisenbahnline Uelzen-Salzwedel eröffnet wurde und der Ausbau der Chaussee Dannenberg-Salzwedel kurz vor der Vollendung stand. Somit konnte die notwendige Steinkohle von den weit entfernten Förderstätten für die später angeschaffte Dampfmaschine nach Wustrow transportiert werden.

Das Jahr 1891 stellte eine Zäsur für die allgemeine Entwicklung der Mechanischen Leinenweberei Friedr. & E. Wentz in Wustrow dar, weil die Brüder Wentz aus der nach ihnen benannten Firma ausschieden. Seitdem leitete Wilhelm Lüring und der Sohn von Ernst Wentz, Ernst-Otto, das Unternehmen.

Abb. 1 aus dem o.g. Buch: Briefkopf der Mechanischen Leinenweberei Fried. & E. Wentz, datiert vom 31. Januar 1913, mit Darstellungen der Weberei, des von Wilhelm Lüring 1886 erbauten Wohnhauses und der Rasenbleiche, um 1890
Abb. 5 Das alte Geschäftshaus der Firma Fried. & E. Wentz in der Langen Straße, Wustrow, um 1900
Abb. 7 Ernst Wentz (1824-1899) um 1880

Die in den 1880er Jahren gestiegene Anzahl der Webstühle erforderte eine Vergrößerung der maschinell benötigten Arbeitskraft, um die Webmaschinen anzutreiben. Deshalb hat die Mechanische Leinenweberei Friedr. & E. Wentz 1895 die Dampfmaschine Nr. 549 von der Fa. K. & Th. Möller – Maschinenfabrik, Kessel­schmiede und Eisengießerei, in Brackwede in Westfalen – gekauft.

Für das Jahr 1899 kamen laut Forschungsarbeit von Dr. Brohm 80 Webstühle und 71 Beschäftigte in der mechanischen Leinenweberei Friedr. & E. Wentz zum Einsatz (siehe im o.g. Buch Seite 125). Im Jahre 1935 waren dagegen 85 Webstühle und 64 Beschäftigte zu verzeichnen (siehe Seite 176).

1895/ 1896 wurde die Weberei erstmals mit dem Problem des Arbeitskräftemangels konfrontiert, ein Phänomen, das sich in der deutschen Leinenindustrie schon seit den 1880er Jahren aus verschiedenen, vor allem wegen konjunkturellen Gründen bemerkbar machte.

Abb. 18 Heinrich Lüring um 1910

Nach der Anschaffung der Dampfmaschine 1895 kam es zu einem erneuten Wechsel in der Firmenleitung. Der älteste Sohn von Wilhelm Lüring, Heinrich, wurde 1905 als Gesellschafter in die Firma aufgenommen. Danach verstarb Wilhelm Lüring 1909 bereits mit 61 Jahren. Sein Tod bedeutete eine weitere Zäsur in der Unternehmensgeschichte, da der Aufbau und die weitere Entwicklung der Leinenfabrik in seinem Händen gelegen hatten und maßgeblich von ihm bestimmt wurden. Die Weberei wurde nun von Ernst Otto Wentz und Heinrich Lüring geleitet.

Abb. 45 Ernst Otto Wentz um 1910

Das Verhältnis von Ernst Otto Wentz und Heinrich Lüring soll allerdings nicht besonders gut gewesen sein. Aus diesem Grunde hat Ernst Otto Wentz kurze Zeit danach die Firma verlassen. Mit ihm schied die Familie Wentz endgültig aus der nach ihr benannten Firma aus, die über Genrationen die materielle Grundlage der Familie, ihres Erfolges und ihrer gesellschaftlichen Stellung war.

Der erste Weltkrieg (1914-1918) hatte gravierende Folgen für die Weberei Wentz. Mit Ausbruch des Krieges wurde die deutsche Leinenindustrie vollständig von den den Flachs- und Flachsgarnlieferungen aus Russland, Belgien, Irland und Frankreich abgeschnitten. Die Mobilmachung und den dadurch bedingten Ausfall von männlichen Arbeitskräften wirkte sich in der Textilindustrie wegen der starken Beschäftigung von Frauen im Vergleich zu anderen Industriezweigen allerdings nicht so gravierend aus. Die überlieferten Zahlen der Belegschaft weisen auf eine relativ gute Auslastung des Betriebes in den ersten Kriegsjahren hin. 1915 beschäftigte die Weberei 14 Arbeiter und 41 Arbeiterinnen.

Ein deutlicher Produktionsrückgang setzt erst mit der Verknappung der Rohstoffe im Jahr 1917 ein. Während des letzten Kriegsjahres arbeiteten nur noch 6 Männer und 21 Frauen in der Leinenfabrik. Der bis Mitte 1921 anhaltende Rohstoffmangel war nicht das einzige Problem, mit dem die Weberei in den Nachkriegsjahren konfrontiert wurde. Die im darauf folgenden Jahr einsetzende Hyperinflation führte wahrscheinlich auch in der Wustrower Weberei zu Einschränkungen des Betriebes.

Reichsbanknote vom 15. September 1922 => Die Währungsreform 1923

Nach der Währungsstabilisierung im November 1923 profitierte die Weberei vom Konjunkturaufschwung. Die Hoffnung, dass die Firma Friedr. & E. Wentz erhalten blieb, schien sich zunächst zu bewahrheiten. Dies konnte man an verschiedenen getätigten Investitionen zur Erneuerung der Produktionsanlagen ablesen. So wurde 1924 die Dampfmaschine von 1895 vollständig überholt und erhielt einen neuen modernen Zylinder, 1925 kaufte die Firma eine neue Dynamomaschine zur Stromerzeugung und erneuerte die Akkumulationsbatterie um die Hälfte.

Abb. 27 Hof der Weberei um 1928 – Chronologie zu der Geschichte der Dampfmaschine [mehr … >>]

Die Belebung des Geschäftsverlaufes darf jedoch nicht über die strukturellen Probleme der Leinenindustrie hinwegtäuschen. Die positiven Geschäfte der Leinenwebereien hielten bis Ende 1925 an. Danach machten sich erneut Zeichen für eine allgemeine Krise bemerkbar. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland stieg bis Anfang 1926 auf über 2 Millionen. Im April des Jahres erreichte die industrielle Produktion ihren Tiefpunkt, die durch eine restriktive Kreditpolitik der Reichsbank seit Frühjahr 1925 zur Stabilisierung der eingeführten Reichsmarkt eingeleitet wurde. Im Herbst 1926 erholte sich die Konjunktur und sorgte für eine Belebung in der Textilindustrie. Der Aufschwung setzt sich 1927 fort und dauert bis in das Jahr 1928, der Absatz sankt dann aber wieder.

Die Weberei überlebt diese Krise aber nicht. Der Jahresbericht des Gewerbeaufsichtsamtes Lüneburg für 1926 meldete neben dem Rückgang der Zahl der Beschäftigten auf etwa 30 ebenso den Stillstand des Betriebes fast während des gesamten Jahres. Am 15. Januar 1927 wurde das Konkursverfahren eröffnet. Im Mai 1927 beschloss die Gläubigerversammlung den Verkauf der Leinenfabrik an den Hauptgläubiger des Unternehmens das Bankhaus M. Nelke Wwe., Inhaber Johannes Meyer-Brüggemann. Er wandelte die Firma in eine GmbH, in die Friedr. & Ernst Wentz GmbH, um. Anschließend versuchte Johannes Meyer-Brüggemann den Betrieb zu verkaufen, wobei er in Betracht zog, die Fabrik durch den Verkauf der Maschinen und die Ausrüstungsgegenstände „auszuschlachten“.

Schließlich kaufte der Webereibesitzer Georg Krome aus Stadthagen die gesamte Fabrik 1928 für seine Söhne Otto, Wilhelm und Heinrich. Die drei Brüder zogen als neue Gesellschafter nach Wustrow und Otto Krome übernahm die Geschäftsführung der Leinenweberei Friedr. & Ernst Wentz GmbH. Der Betrieb sollte wieder aufgenommen und um eine Spinnerei erweitert werden.

Ein Ende 1926/ Anfang 1927 abgefasster Bericht über die im Jahre 1874 gegründete mechanische Leinenweberei Friedr. & Ernst Wentz kam letztendlich zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass sich die Fabrikhallen und das Verwaltungsgebäude im guten bis sehr guten Zustand befanden. Von den vorhandenen Webstühlen waren war 35 älteren Datums, aber nicht vollkommen unbrauchbar, da sich an dem System dieser Stühle „eigentlich wenig oder gar nichts geändert“ hat. Eine „gründliche Überholung der Lager und des Regulators [würden] genügen, um die Stühle wieder im Betrieb arbeiten zu lassen.“ Auch für die 1924 überholte und modernisierte Dampfmaschine sowie den 1925 angeschafften Dynamo und die überholte Batterie sagte das Gutachten eine längere Lebensdauer voraus. Der Bericht zeigt, dass die Gründe für den Konkurs der Firma nicht allein der Person Heinrich Lürings zu suchen ist, obwohl Fehler in der Führung des Unternehmens deutlich zu Tage traten. Die im Bericht erwähnten notwendigen Neuanschaffungen würden vielmehr auf strukturelle Probleme hinweisen.

Abb. 52 Visitenkarte nach Umwandlung der Firma in eine GmbH 1927

Die Übernahme der Leinenweberei Friedr. & E. Wentz G.m.b.H. durch die Gebrüder Krome und deren Pläne waren im Jahre 1928 zeitnah spürbar, da sie durch Stellenanzeigen eine Kontoristin, 10 bis 15 Weber und Weberinnen sowie ein paar Lehrmädchen und einen Schlosser suchten. Die Wiederaufnahme der Leinenproduktion erfolgte im August des gleichen Jahres, allerdings zunächst im geringen Umfang. Im September 1928 beschäftige die Leinenfabrik 34 Arbeiterinnen und Arbeiter, im darauf folgenden Sommer 1929 waren es rund 40 Beschäftigte. Im Juli 1930 stellte die Friedr. & E. Wentz G.m.b.H. beim Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg wegen der „außerordentlich ungünstigen“ Wirtschaftslage vorsorglich einen Antrag auf Stilllegung der Produktion. Im darauf folgenden November beschäftigte die Weberei nur noch etwa 20 Arbeiter.

Die befürchtete Stilllegung des Betriebes erfolgte aufgrund mangelnder Aufträge schließlich im Juli 1931. Rund 35 Arbeiterinnen und Arbeiter mussten entlassen werden. In dieser Zeit war eine teilweise Modernisierung der Betriebsanlagen möglich, denn nach einer 1935 erstellten Maschinentaxe besaß die Leinenweberei einen 1931 gebauten Elektromotor, der anstelle der stillgelegten Dampfmaschine die Webstühle antrieb. Aus diesem Grunde wurde die Dampf­maschine wahrscheinlich im gleichen Jahr von der Friedr. & Ernst Wentz G.m.b.H. in Wustrow an Carl Franzke, Baumeister in der Stadt Lüchow im hannoverschen Wendland, veräußert. Ein Beleg hierfür fehlt allerdings. [mehr … >>]

[Text und Bilder folgen ggf. nach weiterer Recherche zur Dampfmaschine]

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