Stadt Lüchow (Wendland)

An dieser Stelle wird etwas über den Einsatz der Dampfmaschine im „Säge- und Hobelwerk Erwin Müller“ in der Stadt Lüchow im hannoverschen Wendland – mit Ausführungen zu den Familiengeschichten Carl Franzke / Hilde Bangemann, geb. Franzke, die nach dem Tod ihres Ehemannes den Holzhändler Erwin Müller geheiratet hat – berichtet.

Carl Franzke, sen. – mit den Kindern Cläre und Karl auf der Rückbank – als Fahrzeugführer im ersten Automobil der Stadt Lüchow (Wendland) vor der Franzke-Villa auf der Dannenberger Straße 23; Quelle: Wendland-Archiv

Bevor die Dampfmaschine Nr. 549 von 1895 von Carl Franzke und Ehefrau Selma von der Fa. Friedr. & E. Wentz G.m.b.H. in Wustrow erworben wird, kaufen sie 1906 das Grundstück mit Baugeschäft an der Dannenberger Str. 23/ Senator-Brünger-Str. 12 in Lüchow im hannoverschen Wendland. Im Zeitraum von 1908 bis 1914 kommen drei Kinder – Karl, Hildegard und Clara (Cläre) – der Eheleute zur Welt.

Familie Franzke, Carl und Selma mit den Kindern 1920 im Strandurlaub – Foto: Familie Franzke

Selma Franzke (1883 – 1970) wird am 2. März 1919 als erste Frau in das Lüchower „Bürgervorsteher-Kollegium“ (heute „Stadtrat“) gewählt. Eine bemerkenswerte Nachricht, da sie das erste weibliche Ratsmitglied in der Lüchower Stadtgeschichte ist. Als ihr Ehemann in den Ersten Weltkrieg zog, brachte Selma Franzke neben der Familie auch das Baugeschäft gut über die Zeit, bis Carl Franzke aus dem Krieg zurückkehrte. 1924 ließ Selma Franzke sich nach der ersten Wahlperiode nicht mehr für den Stadtrat aufstellen.

Dampfmaschine in der Maschinenhalle um 1925 in Wustrow

Carl und Selma Franzke erwerben wahrscheinlich 1931 von der Firma Friedr. & E. Wentz GmbH in Wustrow die Dampfmaschine Nr. 549 von 1895, die im Säge- und Hobelwerk zum Einsatz kommen soll. Die Dampfmaschine wurde zuvor 1924 in der Firma K. & Th. Möller GmbH, Brackwede in Westfalen überholt und mit einer neuen Ventilsteuerung ausgestattet. Anschließend wird die Maschine zunächst in der Leinenweberei Wentz wieder eingebaut und dann ab 1931 beim Bauunternehmen und neu gegründeten Säge- und Hobelwerk Franzke, Carl in Lüchow im hannoverschen Wendland zum Antreiben eines Sägegatters eingesetzt.

Bisher wurde kein Nachweis der Übereignung der Dampfmaschine von der Friedr. & E. Wentz GmbH (Stadt Wustrow) an die Fa. Franzke, Carl (Stadt Lüchow) gefunden.

Aufnahme Sägerei Franzke Carl – 1925 – Quelle: Wendland-Archiv

Der Bauunternehmer, Maurermeister und Besitzer des Sägewerkes Carl Franzke, sen. verstirbt 1942. Danach führen die verwitwete Ehefrau Selma und Tochter Hildegard (Hilde) zunächst allein die Geschäfte weiter. Im gleichen Jahr heiratet Tochter Hilde ihren ersten Ehemann, Hans Bangemann, den sie bereits zuvor 1938 kennengelernt hatte. Sie bekommen 1943 einen Sohn.

1945 wird aller Wahrscheinlichkeit nach Paul Rathke (1896 – 1971), ehemaliger Mühlen- und Sägewerksbesitzer aus Grünheide (Ostpreußen), eingestellt und führt mit den Frauen Selma Franzke und deren Tochter Hilde zusammen das Geschäft. Paul Rathke soll laut Zeitzeugen von 1945 bis etwa 1960*) mit seinem Sohn, Karl-Heinz Rathke (1932 – 2017), zunächst auf dem Grundstück des Baugeschäfts, Säge- und Hobelwerks Carl Franzke in dem Gebäude (nachfolgendes Foto – roter Pfeil) gelebt haben. Der damals dreizehnjährige Sohn Karl-Heinz Rathke ist laut Zeitzeugen aller Wahrscheinlichkeit nach in Lüchow zur Oberschule gegangen und anschließend zum Holzfachmann ausgebildet worden sein.*)

[*)Anmerkungen: Die diesbezügliche Recherche ist noch nicht abgeschlossen)

Sägerei Franzke 1948 in der Stadt Lüchow (Wendland) – Blick vom Balkon der Villa-Franzke, Dannenberger Str. 23, Quelle: Wendland-Archiv – Foto ohne roten Hinweispfeil

Nachdem der Sohn von Selma und Carl Franzke, sen., Karl Franzke 1949 aus dem Krieg zurückkehrt und die Familie im gleichen Jahr die schreckliche Nachricht erhält, dass Hans Bangemann gefallen ist, wird das Erbe zwischen den Geschwistern Franzke aufgeteilt. Hildegard Bangemann, geb. Franzke, erbt das Sägewerk mit Grund und Boden.

Das Firmenschild (Fotoausschnitt) lagerte von 1998 – 2018 in einer Halle von Siegfried Treichel, Reetze – Foto: H. Korsch

Im darauf folgenden Jahr 1950 heiratet Hildegard Bangemann (1914 – 2002) den Holzkaufmann Erwin Müller (1912 – 2000) aus dem Schwarzwald, der den Betrieb ab diesem Zeitpunkt übernimmt und ihm seinen Firmennamen: „Erwin Müller Säge & Hobelwerk“ gibt.

Die Neueintragung in das Handelsregister Lüchow (Hann.), HRA 363, der Firma Erwin Müller – vormals Franke Holzhandel, Säge und Hobelwerk, Sitz Lüchow (Hann.) – mit dem Geschäftsinhaber Holzkaufmann Erwin Müller in Lüchow (Hann.), ist am 19. August 1950 beim Amtsgericht eingetragen und veröffentlicht worden.

Knapp zwei Jahre danach wird am 28. April 1952 vom Gewerbeamt des Landkreises Lüchow-Dannenberg, Herrn Erwin Müller, Dannenberger Str. 23, die Gewerbeerlaubnis zur Errichtung eines Betriebes für den Groß- und Einzelhandel mit Rund- und Schnittholz (Übernahme der Firma C. Franke, Lüchow) als stehendes Gewerbe in der Stadt Lüchow erteilt.

„Holzhandlung mit Säge & Hobelwerk“ um 1960 mit Blickrichtung Dannenberger Straße 23, Villa Franzke im Hintergrund mit überdachten Balkon. Links oben ist die Kirchturmspitze der St. Agneskirche, Ecke Hindenburgstr./ Dannenberger Str. zu sehen. Quelle: Wendland-Archiv

Paul Rathke, Holzkaufmann und Geschäftsleiter der Holzhandlung mit Säge & Hobelwerk an der Dannenberger Straße 23, hat für seine Familie im März 1955 beim Kreishochbauamt des Landkreises Lüchow-Dannenberg einen Antrag zum Bau eines Eigenheimes mit Einliegerwohnung auf dem Grundstück in der Senator-Brünger-Str. 6 gestellt, der knapp einen Monat danach im April 1955 genehmigt wurde.

Wohnhaus mit Einliegerwohnung – Senator-Brünger-Straße 6 © Foto/ Kopie: Holger Korsch

Gut ein Jahr später haben sich Karl-Heinz Rathke, Senator-Brünger-Straße 6, Lüchow (Wendland), und Dorothea Keck, Ehningen, an Weihnachten 1956 verlobt. Dies steht in einer Annonce der Elbe-Jeetzel-Zeitung (EJZ) vom 27.12.1956. Demnach lebten Paul und Anna-Helene Rathke mit Sohn Karl-Heinz sowie Tochter IIse-Lore Rathke bereits zu dieser Zeit im neu errichteten Wohnhaus mit Einliegerwohnung in der Senator-Brünger-Straße 6 in Lüchow (Wendland), nahe der ehemaligen Holzhandlung mit Säge & Hobelwerk Franzke / Müller, in dem die Dampfmaschine Nr. 549 von 1895 in den Jahren von 1931 bis 1980 zum Einsatz kam.

[*) Anmerkungen: Ob die Verlobten Karl-Heinz Rathke und Dorothea Keck evtl. in Lüchow (Wendland) oder in Ehningen, Landkreis Bad Böblingen, geheiratet haben, das ist noch nicht abschließend recherchiert.]

Karl-Heinz Rathke wird nach dem Weggang aus Lüchow (Wendland) mit 29 Jahren Geschäftsleiter des Sägewerk Keck in Ehningen, Landkreis Böblingen, und führte das seit 1903 existierende Holzwerk Keck sehr erfolgreich. Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Geschäftsleiter des Holzwerkes Keck war Karl-Heinz Rathke ehrenamtlich sehr aktiv, da ihm gesellschaftlicher sozialer Einsatz wichtig war. In Anerkennung seiner gesellschaftlichen, ehrenamtlichen und sozialen Leistungen in Ehningen wurde Karl-Heinz Rathke das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen und im März 2005 überreicht. (Quelle: KREISZEITUNG Böblinger Bote vom 05. August 2017 – unter der Überschrift: „Eine Persönlichkeit geschnitzt aus echter Eiche“). Heute wird das international agierende Unternehmen von den Söhnen Bernhard Rathke und Steffen Rathke geleitet.[mehr .. >>]

Holzhandlung, Säge & Hobelwerk „Erwin Müller“ um 1960 – Quelle: Wendland-Archiv

Nach dem Weggang von Karl-Heinz Rathke arbeitete der Sohn aus erster Ehe von Hilde Müller, ehemals verheiratete Bangemann, von 1965 bis 1975 im Säge & Hobelwerk. Hans-Dieter Bangemann, im Jahre 1972 mittlerweile Zimmerei- und Sägewerksmeister, war zu dieser Zeit bereit den Betrieb weiterzuführen. Aus beruflichen und familiären Gründen gab es für ihn nach eigenen Angaben aber dann keinen Sinn mehr im Betrieb zu bleiben, auch wenn seine Lebensplanung und sein beruflicher Werdegang vom Sägewerk in Lüchow bestimmt waren.

In den 1980er und 1990er Jahren gab es nach der Stilllegung des Säge & Hobelwerkes im Jahre 1980 anschließend vielfältige Anstrengungen des VDI-Fördervereins – Ortsgruppe Lüchow-Dannenberg und dem Museum Wustrow, unter Leitung von Dr. Rolf Meyer, die historische, denkmalgeschützte Dampfmaschine Nr. 549 von 1895 der Fa. K. & Th. Möller in Westfalen für die Nachwelt zu retten. Sie sollte an einem passenden Ort für die Öffentlichkeit ausgestellt werden. So gab es beispielhaft die Überlegung, die Dampfmaschine in der Stadt Wustrow (Wendland) im Rahmen eines im Jahre 1995 geplanten „Technikhauses“ am Standort des Museums Wustrow e.V. zu integrieren, wo sie ursprünglich ab 1895 Webstühle antrieb.

Bis 1998 steht die Dampfmaschine im Säge- und Hobelwerk in Lüchow und wurde bis zu ihrer Stilllegung 1980 für die Sägerei eingesetzt.

Foto 1998 – Herausheben des Schwungrades der Dampfmaschine mit Schwerlastkran zum Abtransport und Lagerung bei der Hannover-Braunschweigischen Stromversorgungs AG (HASTRA) in Lüchow (Wendland) – Quelle: Foto aus dem Fundus von Norbert Distler[mehr ..>>]

Nach der Demontage der denkmalgeschützten Dampfmaschine 1998 erfolgte der Abriss der Gebäude des ehemaligen Säge- und Hobelwerks an der Dannenberger Straße 23/Senator-Brünger-Straße 12 in Lüchow (Wendland), die zuvor ebenfalls unter Denkmalschutz gestanden haben sollen.

Sägerei Müller / Franzke – Gelände nach Abriss der Gebäude um 2000 – Quelle: Wendland-Archiv

(Anmerkung: Die diesbezügliche Recherche ist nicht abgeschlossen)

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